WDA-Auslandsschulkompass: 19 % der Schulen stark in Existenz bedroht, soziale Durchlässigkeit gefährdet

Die Deutschen Auslandsschulen spüren die Krisen in voller Härte, allen voran die Kürzungen der finanziellen Mittel aus Deutschland. 19,3 % der Teilnehmenden, das sind 23 Schulen, sehen sich sogar stark in ihrer Existenz bedroht. Ein beträchtlicher Teil hat in Folge die Schulgebühren bereits zum laufenden Schuljahr erhöht. Denn die gemeinnützigen Schulträger finanzieren das schulische Angebot zu über 70 % selbst über Schulgebühren, sie sind zu dieser Eigenfinanzierung gesetzlich verpflichtet. Deutsche Auslandsschulen sind die Mittlerorganisationen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik Deutschlands mit dem höchsten Eigenanteil an der Finanzierung. Und das, obwohl sie umfassende Bildung weit über den reinen Spracherwerb hinaus und Vertrautheit mit der deutschen Kultur anbieten sowie einen Wertschöpfungsimpuls von 1,2 Milliarden Euro schaffen.

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Übersicht zur Entwicklung Schulgebühren bis September 2024. Bild: WDA

Die Existenzbedrohung ist größer geworden: 19,3 % der Befragten geben an, in ihrer Existenz stark bedroht zu sein. Die Schulträger der gemeinnützig geführten Deutschen Auslandsschulen stehen unter Druck, eine Folge davon: höhere Schulgebühren. Das geht auf Kosten der sozialen Durchlässigkeit und hat auch Nachteile im Wettbewerb mit anderen Schulen um die größten Talente.

Der WDA-Auslandsschulkompass ist eine regelmäßige, freiwillige Online-Befragung der weltweit angesiedelten WDA-Mitgliedsschulen zu ihrer aktuellen Lage. Die internationale Umfrage ist die einzige dieser Art zu den Deutschen Auslandsschulen und liefert aussagekräftige Zahlen und valide Daten für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik.

Fast 20 % der Schulen stark in Existenz bedroht

„Wir blicken in eine unsichere Zukunft, da die angekündigten Mittelkürzungen die Existenz zunehmend bedrohen. Über 60 % der Befragten sahen sich bereits gezwungen, das Schulgeld zu erhöhen – ein schmerzhafter Schritt. Denn diese Schulen sollen Begegnung und Austausch ermöglichen, unabhängig von sozialer Herkunft. Doch dieser Grundgedanke gerät zunehmend ins Wanken. Neben der sozialen Vielfalt geht es auch um die herausragende Qualität und das Fortbestehen dieser wertvollen Bildungsstätten“, sagt Heilke Daun, WDA-Vorstandsvorsitzende.

Beinahe 20 % der Antwortenden sehen die Existenz der Schulen als stark bedroht. Das sind um über 15 % mehr als bei der letzten Befragung im Frühling 2024 (3,9 %). Die Werte sind damit auf einem neuen Höchststand und auf dem Niveau während der Coronapandemie 2021. In dieser Antwort lassen sich eindeutig die Zukunftssorgen der Schulträger der Deutschen Auslandsschulen ablesen. Welche sind die größten? Als Gründe für die Existenzbedrohung wurden vorwiegend die wirtschaftliche Situation im Sitzland, eine nicht ausreichende Förderung aus Deutschland, Lehrkräftemangel, geopolitische Spannungen und Konkurrenz mit Mitbewerbern genannt. Davon sind Schulen unterschiedlicher Größe, Struktur und Region betroffen.

Auch wenn die Schulen in den letzten Monaten Maßnahmen ergriffen haben und dies weiter tun, um die Einflüsse externer Faktoren abzumildern, bleiben sie diesen jedoch in unterschiedlicher Stärke ausgeliefert. Rund 60 % der Teilnehmenden sehen die Existenz der Schule nicht mehr bedroht als sonst an, dieser Wert ist ähnlich wie bei der letzten Umfrage (Umfrage März 2024: 58, 3 %). Die Schulen scheinen sich daher in gewisser Weise an diese Situation gewöhnt zu haben. Die ernst zu nehmende Existenzbedrohung der Deutschen Auslandsschulen wird dadurch jedoch nicht geringer.

Wirtschaftliche Lage für gemeinnützige Schulträger schlecht

Beinahe 27 % der Teilnehmenden schätzen daher auch die Entwicklung ihrer wirtschaftlichen Lage als schlecht ein, das sind 32 Schulen. Auch diese Zahl nähert sich dem Niveau der Coronapandemie an (Mai 2021: 32,6 %). Für über 52 % ist die Situation aktuell nur befriedigend. Der Umsatz ist im Vergleich zum Vorjahr für 27 % der Teilnehmenden geringer, auch das ist ein Wert wie während der Coronapandemie. Die Hälfte der Befragten sagt, der Umsatz sei etwa gleich.

Die Deutschen Auslandsschulen sind keine profitorientierten Schulen, sie werden von gemeinnützigen Schulvereinen oder Stiftungen getragen. Durch die öffentlich-private Partnerschaft verfügen die Schulen über große wirtschaftliche Autonomie, können aber im Vergleich zu anderen internationalen Schulen geringere Schulgebühren verlangen. Zudem bieten sie verschiedene Stipendienprogramme an. So stehen die Deutschen Auslandsschulen aktuell für eine Bildungselite, die offen ist für begabte Schülerinnen und Schüler aus allen sozialen Schichten. Doch wie kann das in Zukunft bei steigenden Kosten und sinkender Förderung weiter gewährleistet werden?

Schulgebühren erhöht, Zahl Lernender und Lehrkräfte geringer

Die Ergebnisse des aktuellen Auslandsschulkompasses zeigen, dass die Schulträger gezwungen sind, Schulgelderhöhungen vorzunehmen: Über 61,3 % der Befragten geben an, die Schulgeldgebühren zum laufenden Schulhalbjahr angehoben zu haben – wohl als ein notwendiges Mittel, um mit den Kürzungen aus Deutschland umzugehen. Diese noch nie da gewesene Zahl belegt den Druck, dem die verantwortlichen Schulträger der Deutschen Auslandsschulen ausgeliefert sind. Sogar während der Coronapandemie bewegte sich diese Zahl unter 30 %, damals gab es jedoch finanzielle Coronasoforthilfe aus Deutschland.
Der Trend der Schulgelderhöhungen wird sich laut Prognose fortsetzen – fast 49 % der Teilnehmenden bejahen den Anstieg in Zukunft (März 2024: 43,7 %).

Schulgelderhöhungen können sich auf die Anzahl der Schülerinnen und Schüler auswirken: über 13 % der Befragten geben an, dass diese abnehmen werden (Befragung März 2024: 8,7 %). Auch die Gewinnung neuer pädagogischer Fachkräfte wird schwieriger: Fast 7 % der Befragten sagen, dass dies schwieriger wird (März 2024: 4,9 %).

Ausblick: Geschäftsentwicklung und Auswirkungen verringerter Förderung

Über ein Drittel der Befragten – 33,6 % – bewerten die zukünftige Geschäftsentwicklung als ungünstiger, im Vergleich zum März 2024, wo dies über 24 % angaben. Dies korrespondiert mit den Angaben zu Umsatz und wirtschaftlicher Lage, wie weiter oben im Text beschrieben.

Anlässlich der angekündigten Kürzungen im Schulfonds 2025 wurde vom WDA eine neue Frage in den Auslandsschulkompass aufgenommen. Die Auswirkungen der geplanten Kürzungen der freiwilligen finanziellen Förderung sehen 80 % der Befragten als negativ an.

Schulen mit gesetzlichem Anspruch erhalten ihre Förderung als sogenannte Anspruchsförderung für jeweils drei Jahre auf der Grundlage des Auslandsschulgesetzes. Trotz Auslandsschulgesetz haben dabei immer noch ca. 21 % der Schulen keinen Anspruch auf Förderung und werden freiwillig über Zuwendungen gefördert. Auch bei den gesetzlich geförderten Schulen bleibt die zusätzliche freiwillige Förderung die Regel. Für das nächste Jahr soll die freiwillige finanzielle Förderung um 100 % gekürzt werden. Dies setzt die Deutschen Auslandsschulen unter Druck, denn sie sind die Mittlerorganisationen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik Deutschlands mit dem höchsten Eigenanteil an der Finanzierung. Gemeinnützige Schulträger erheben Schulgebühren, da sie gesetzlich verpflichtet sind, sich zu über 70 % selbst zu finanzieren. Die staatliche Förderung erfolgt vor allem durch die Vermittlung von Lehrkräften aus Deutschland, die die deutschen Bildungsstandards sicherstellen. Der finanzielle Anteil der staatlichen Förderung macht durchschnittlich nur 15 % aus. Diese Mittel sind entscheidend, um die soziale Durchmischung der Schülerschaft zu fördern und durchgängige Bildungsbiografien zu ermöglichen.
Die Auslandsschulen sollen offene Orte der Begegnung bleiben, so die Vorsitzende des Unterausschuss für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (UAKBP) Michelle Müntefering.

Ziele WDA-Auslandsschulkompass

Der WDA-Auslandsschulkompass ist eine eingetragene Marke des WDA, der seine Mitgliedsschulen seit dem Frühjahr 2020 regelmäßig zur aktuellen Lage und zur erwarteten Entwicklung in den Folgemonaten befragt. Ins Leben gerufen wurde die Auswertung vor allem, um die Auswirkungen der Coronapandemie besser einschätzen zu können. Auch unabhängig davon liefert die Umfrage aussagekräftige Zahlen und valide Daten für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik. Wie die Umfrageergebnisse verdeutlichen, ist die Lage heterogen: Nicht alle Auslandsschulen haben in ihren Teilen der Welt mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen. Die verlässlichen und vergleichbaren Zahlen, wie sie der WDA mit dem Instrument “Auslandsschulkompass” liefert, ermöglichen so einen guten Überblick.

Methodik WDA-Auslandsschulkompass

Für den „Auslandsschulkompass“ befragt der WDA regelmäßig seine Mitgliedsschulen nach ihrer Bewertung der aktuellen Lage. Sie beantworten im Rahmen dieser Evaluation eine Reihe standardisierter Fragen, die sowohl die aktuelle Situation als auch künftige Erwartungen betreffen. Abgefragt werden unter anderem Einschätzungen zur Zahl der Schülerinnen und Schüler und zur Geschäftsentwicklung. Die regelmäßigen Online-Umfragen erlauben Vergleiche im Zeitverlauf. An der aktuellen mittlerweile 11. Umfrage beteiligten sich circa 119 Mitgliedsschulen. Die Mitgliedsorganisationen des Weltverbands Deutscher Auslandsschulen, darunter 86 % der anerkannten 135 Deutschen Auslandsschulen, wurden im September 2024 drei Wochen lang via Online-Umfrage befragt. Die Befragung richtete sich an die Führungskräfte der Schulen: Schulvorstände, Schulleitungen, Geschäftsführung, Beauftragte des Vorstands wie auch Verwaltungsleitungen.

Alle Ergebnisse der Umfrage: Über das WDA-Auslandsschulkompass Dashboard können Sie alle Ergebnisse einsehen.

Die drei vorherigen Umfragen:

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