Spätestens im März 2020 brach die Corona Krise über die Deutschen Auslandsschulen herein. Wie hat der WDA darauf reagiert?
Corona hat uns natürlich sehr überrascht. Unsere ursprünglichen Planungen für das Jahr wurden komplett umgeworfen. Diese Pandemie hat sich erst allmählich zu einer wirklich globalen Krise entwickelt, die schließlich alle Deutschen Auslandsschulen betroffen hat. Aber ich glaube, wir als Verband haben klug darauf reagiert. Wir haben zunächst einmal den Kontakt mit den Schulen gesucht, um zu sehen, was sie bewegt. Ich persönlich habe in dieser Zeit viele Gespräche geführt – sowohl mit den Mitgliedsschulen als auch den fördernden Stellen. Dann haben wir als WDA relativ schnell, schon im April 2020, ein Positionspapier zur Corona Krise geschrieben. Darin hatten wir zum Beispiel festgestellt, dass die Schulen eine finanzielle Soforthilfe brauchen.
Und dann haben wir am 6. Mai die bisher größte öffentliche Webkonferenz des WDA zur Corona Pandemie organisiert. Hier kamen in dieser Krise erstmals alle Akteure zusammen: die Bundestagsabgeordneten, die Vertreter aller fördernden Stellen und natürlich die Auslandsschulen. Ich denke, für die Politik war dies ein wichtiges Ereignis. Denn hier konnte sie erstmals direkt und authentisch von den Schulen hören, was vor Ort wirklich los ist.
Wie haben Sie diese Webkonferenz im Mai 2020 erlebt?
Ich war beeindruckt davon, wie gut vorbereitet eine Reihe von Schulen in diese Webkonferenz gegangen ist. Und das, obwohl sie da schon schwer getroffen waren. Die Schulen sind nach meiner Wahrnehmung nie in Wehklagen verfallen. Sie haben insgesamt sehr klug gehandelt. Denn viele mussten mit weniger Schülern zurechtkommen, haben aber gleichzeitig auch nicht die Schulgebühren substanziell gekürzt. Denn das hätte die Not noch verstärkt. Solche Vorgehensweisen haben mich positiv überrascht.
Sehr wichtig war natürlich die Botschaft von Michelle Müntefering vom Auswärtigen Amt. Sie hatte in unserer Webkonferenz angekündigt, dass die Corona Notfallhilfe kommen wird. Und kurze Zeit später hatte sie mich dann mit der positiven Nachricht angerufen, dass die Finanzierung steht. Als dieser Anruf kam, habe ich eine große Erleichterung verspürt. Dabei hat sie mir auch nochmal versichert, dass das Auswärtige Amt voll hinter den Deutschen Auslandsschulen steht. Die Notfallhilfe kam sicher nicht alleine wegen unserer Webkonferenz. Aber wir haben doch entscheidende Akzente gesetzt, die die fördernden Stellen und die Politik bestärkt haben, dann auch wirklich etwas zu machen.
Wie hat sich die Arbeit des WDA-Vorstands durch Corona verändert?
Nun, wir haben wie alle sofort von Präsenz- auf reine Onlinesitzungen umgestellt. Die Digitalisierung der Vorstandsarbeit, die die Geschäftsstelle schon 2019 vorangetrieben hat, war hier von großem Nutzen. Im Vorstand haben wir uns dann viel öfter zu Sitzungen getroffen als sonst. Insgesamt 18 Vorstandssitzungen hatten wir 2020, so viele wie noch nie zuvor. An dieser Stelle auch ein großes Dankeschön an meine Vorstandskolleginnen und -kollegen für ihr tolles Engagement! Der Kommunikationsbedarf war einfach auch viel höher als in normalen Jahren.
Welche Veränderungen durch Corona werden von Dauer sein?
An den Schulen sicherlich die Digitalisierung. Wir haben Mitgliedsschulen, zum Beispiel in Mittelamerika, die jetzt seit praktisch einem Jahr im Distanzunterricht sind. Das muss man sich einmal vorstellen! Es ist sehr ermutigend, dass der Distanzunterricht an den Deutschen Auslandsschulen erstaunlich gut funktioniert. Allerdings treibt mich auch die Frage um, was das für den Lernerfolg der Kinder wirklich bedeutet. Ich glaube, das kann heute noch niemand seriös abschätzen.
In der Verbandsarbeit selbst sind es sicher die Videokonferenzen, die ich weiter nutzen möchte. Wenn sie gut vorbereitet sind, haben sie für mich mittlerweile einen unheimlich großen Stellenwert. Sie sind eine gute Möglichkeit, die Schulen und auch den Vorstand schnell und unkompliziert zusammenzubringen.
Wie lautet Ihr Fazit nach einem Jahr Pandemie- Bewältigung im WDA?
Ich glaube, dass wir das erste Jahr der Corona Krise ganz gut gestemmt haben. Das ging nur zusammen. Das war eine konzertierte Aktion der Schulen selbst, des WDA und der fördernden Stellen. Wir haben auch die Schulen immer auf dem Laufenden gehalten. Wir haben als Verband ja viel mehr kommuniziert als früher. So gab es allein elf Mitgliederbriefe – doppelt so viele wie 2019. Das und die konkreten politischen Erfolge haben sicher dazu beigetragen, dass die Schulen heute sagen „Ja, der Verband hat geliefert.“ Die Schulen sehen, dass unser Einfluss in Berlin hoch ist. Der WDA wird wahrgenommen. Das ist auch eine Rückmeldung, die wir von der Politik bekommen.
Was brauchen die Deutschen Auslandsschulen 2021 am meisten?
In diesem Jahr brauchen die Schulen in erster Linie eine zweite Auflage der Corona Notfallhilfe. Die Finanzhilfe sollte so ausgestaltet sein, dass die Schulen ihre Rücklagen nicht völlig aufbrauchen müssen. Denn diese Rücklagen sind Bausteine für die Zukunftsfähigkeit der Schulen. Für unsere Interessenvertretung ist zu beachten, dass es nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 zu großen Veränderungen kommen wird. Viele uns bekannte Abgeordnete und Amtsträger werden dann nicht mehr da sein. Ich möchte unsere Verankerung im politisch-parlamentarischen Raum weiter stärken.
Sehen Sie durch die Corona Pandemie auch Chancen für die Deutschen Auslandsschulen?
Corona hat uns eines gezeigt: nämlich wie gut und pragmatisch alle Beteiligten im Deutschen Auslandsschulwesen in einer Krise zusammenarbeiten können. Der WDA hat ein gutes Verhältnis zu allen fördernden Stellen. Sie hören uns zu und sagen uns auch offen, was sie denken. Das hier gewachsene Vertrauen ist eine ganz wichtige Sache. Und dieses Vertrauen ist 2020 definitiv gewachsen. Eine Chance ist sicher, dass wir gemeinsam mit diesem Geist der Kooperation und Unterstützung weiterarbeiten.
An dieser Stelle möchte ich auch einmal allen danken, die an der bisherigen Bewältigung der Corona Krise mitgewirkt haben: Schulleiter, Verwaltungsleiter, Schulträger, Eltern, das Auswärtige Amt, die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, die Kultusministerkonferenz, der Unterausschuss für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und natürlich die Bundestagsabgeordneten. Ihnen allen möchte ich dafür danken, dass sie den Deutschen Auslandsschulen in dieser so schwierigen Zeit beigestanden haben.
Eine zweite Chance ist, dass der WDA im politisch-parlamentarischen Raum an Bekanntheit und Einfluss
gewonnen hat. Er ist als Partner bei den Abgeordneten, beim Auswärtigem Amt und bei den fördernden Stellen
akzeptiert. Darauf sollten wir aufbauen.
Was haben Sie im letzten Jahr am meisten vermisst?
Am meisten vermisst habe ich die persö
nlichen Kontakte zu den Schulen. Bei allen Vorteilen, die Videokonferenzen bieten: Das persönliche Gespräch ist durch nichts zu ersetzen. Hier hoffe ich sehr, dass die Pandemie-Lage noch im laufenden Jahr solche Gespräche zulässt.
Herr Dr. Fornell, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Glen Wernecke im März 2021.
Das Interview erschien zuerst im Leistungsbericht 2020 des Weltverbands Deutscher Auslandsschulen.