„Lobbyarbeit bleibt unsere Kernaufgabe“

Im Interview blickt Dr. Peter Fornell auf seine dreijährige Amtszeit als Vorstandsvorsitzender des Weltverbands Deutscher Auslandsschulen (WDA) zurück.

Im Interview blickt Dr. Peter Fornell auf seine dreijährige Amtszeit als Vorstandsvorsitzender des Weltverbands Deutscher Auslandsschulen (WDA) zurück.

Das Jahr 2021 war geprägt von der weiter andauernden Corona-Pandemie. Wie hat der WDA darauf reagiert?

Zuerst einmal war ganz wichtig, dass wir als Verband weiter für unsere Mitglieder da sind. Dafür haben wir das Instrument der digitalen Veranstaltungen weiter genutzt. Die regionalen Webkonferenzen liefen nach dem Erfolg im Vorjahr weiter. Ein Höhepunkt für mich war die Weiterentwicklung hin zu einer echten Hybridveranstaltung im Oktober 2021. Dort haben wir Mitgliederversammlung und Symposium in Berlin online und in Präsenz erfolgreich durchgeführt.

Als weiteren Punkt haben wir die Umfragen unseres Auslandsschulkompasses fortgeführt, um aktuell die Situation vor Ort an den Schulen vernünftig einschätzen zu können. Diese Befragungen haben uns in den Gesprächen mit Politik und fördernden Stellen immer sehr geholfen. Drittens haben wir die Rückmeldungen unserer Mitglieder aus Webkonferenzen und Umfragen fortlaufend in die Interessenvertretung in Richtung Politik eingebracht.

Wie geht der WDA mit den Ergebnissen der Bundestagswahl im Herbst 2021 um?

Die Bundestagswahl führte zu einem großen Umbruch bei den für uns relevanten Ansprechpartnern in Parlament und Regierung. Daher war unsere erste Priorität, die neu gewählten Kandidaten und Kandidatinnen im Bundestag, den Ausschüssen und den Ministerien zu kontaktieren. Unser Ziel ist es, sie von der Notwendigkeit einer politischen und parlamentarischen Unterstützung der deutschen Auslandsschulen zu überzeugen.

Dr. Peter Fornell, WDA-Vorsitzender, bei der außerordentliche Mitgliederversammlung des Weltverbands Deutscher Auslandsschulen am 4.10. 2021.

Im Auswärtigen Amt konnten wir zum Beispiel schon die neue Staatsministerin für Auswärtige Kulturpolitik Katja Keul von den Grünen treffen. Sie ist Alumna der Deutschen Schule Genf. Das war für mich ein sehr positives Gespräch. Sehr gut gefallen hat mir, dass sie durchaus auch zuhört, bevor sie selbst Schlüsse zieht. Sie hat klar und ruhig zum Ausdruck gebracht: „Sie können sich auf meine Unterstützung verlassen“. Das stimmt mich zuversichtlich. Gleichwohl werden wir das Auswärtige Amt an seinen Taten messen. Die Reform des Auslandsschulgesetzes ist in der letzten Legislaturperiode ja leider nicht mehr gelungen. Hier wünschen wir uns, dass die Regierung in dieser Wahlperiode aktiv wird. Es liegen ja klare Empfehlungen aus der Evaluation des Auslandsschulgesetzes und dem Entschließungsantrag der Bundesregierung vom Sommer 2021 vor.

Was brauchen die Deutschen Auslandsschulen in der neuen Legislaturperiode am meisten?

Kernpunkte sind eine verlässliche Förderung für alle Schulen, eine gesicherte Lehrerversorgung und eine Rollenklarheit im Zusammenspiel zwischen Schulleitung und Schulvorstand. Diese drei Punkte müssen wir für alle Schulen haben.

Beim im Koalitionsvertrag angekündigten Masterplan ist es zentral, dass der WDA mit einbezogen wird. Sorgen mache ich mir darum, dass die finanzielle Förderung der Deutschen Auslandsschulen nach zwei Jahren Corona-Krise und jetzt den Folgen des Ukraine-Kriegs offenbar sinken soll. Die nächsten Jahre werden für das Auslandsschulwesen finanziell eine Herausforderung. Hier werden wir immer wieder darauf hinweisen, dass sich die Investitionen in Auslandsschulen für Deutschland auf vielen Ebenen lohnen.

Dr. Peter Fornell, WDA-Vorsitzender, beim Symposium des Weltverbands Deutscher Auslandsschulen am 6.10. 2021.

Was die Förderung der Auslandsschulen betrifft, müssen wir darauf hinwirken, dass mehr Schulen von der freiwilligen in die gesetzliche Förderung durch das Auslandsschulgesetz kommen. Das ist wichtig, um Sprünge in der freiwilligen Förderung, wie sie sich im Haushalt 2022 abzeichnen, zu minimieren. Die Schulen brauchen diese Planungssicherheit. Bildung funktioniert nur langfristig, also müssen auch die Schulen länger planen können als nur ein Jahr. Meine Erfahrung nach drei Jahren Vorstandsvorsitz ist, dass man diese Dinge auch wirklich oft wiederholen muss. Steter Tropfen höhlt den Stein: diese Erkenntnis muss im Verband verankert bleiben.

Seit Februar 2022 herrscht Krieg in der Ukraine. Was bedeutet dieser Konflikt für die Deutschen Auslandsschulen?

Zuerst einmal ist es natürlich ein schrecklicher Schicksalsschlag speziell für die Deutsche Schule Kiew. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass in einer europäischen Hauptstadt Menschen in Luftschutzkellern Zuflucht suchen und um ihr Leben fürchten müssen. Als WDA sind wir für alle Deutschen Auslandsschulen da. Daher denken wir auch an die Schulen in Moskau, Sankt Petersburg und Kaliningrad. Wie stark sie von diesem Krieg und den Sanktionen betroffen sind, lässt sich noch nicht sagen.

Wir sind als Verband in der Krise spürbar zusammengewachsen.

Wir haben als herausragendes Ergebnis den Schulleiter der Deutschen Schule Kiew dabei unterstützt, eine Online-Spendenplattform zu organisieren. Diese haben wir über unsere Medien beworben und so den Auslandsschulen weltweit eine Möglichkeit gegeben, direkt an diese Schulgemeinschaft zu spenden. Das wurde auch in überwältigender Form angenommen. Außerdem haben wir als WDA ein eigenes digitales Verzeichnis gestartet, in das Mitgliedsschulen Angebote zur Beschulung von Kindern der Deutschen Schule Kiew eintragen konnten. Auch diese Plattform wurde rege genutzt. Die Solidarität der Auslandsschulgemeinde war ein sehr positives Signal für mich in diesen dunklen Zeiten.

Ihre Amtszeit als Vorstandsvorsitzender 2019 bis 2022 war zum größten Teil durch die Corona-Pandemie geprägt. Worauf sind Sie in dieser Zeit besonders stolz?

Wir haben es erreicht, schnell die Corona-Notfallhilfe durch die Politik zu bekommen. Ohne die guten Beziehungen zum Auswärtigen Amt, der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) und den Unterausschuss für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik wäre das nicht gelungen. Wir haben den Auslandsschulkompass weiterentwickelt. Wir haben das Instrument des hybriden Austauschs eingeführt. Wir haben den regelmäßigen Austausch mit Direktorenbeirat und Vorständebeirat der ZfA weitergeführt und gestärkt. Stolz macht mich, dass wird als Verband in der Krise spürbar zusammengewachsen sind.

Nach den Statuten des WDA endet ihre Zeit im Vorstand nach drei Amtszeiten. Was braucht der Verband in Zukunft?

Wir sollten den eingeschlagenen Weg unbedingt fortsetzen. Die Strategie, auf eine offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Gremien in Politik, mit den Beiräten und den Lehrerverbänden zu setzen, hat sich bewährt. Wir sollten alle gemeinsam daran arbeiten, dass die Wahrnehmung unseres Verbands im öffentlich-parlamentarischen Raum erhalten bleibt. Das ist das Wichtigste. Das wird dann am besten gelingen, wenn der Verband weiter mit einer Stimme auftritt.

Wie lautet Ihr ganz persönliches Fazit nach drei Jahren Vorstandsvorsitz im WDA?

Der WDA ist politisch ein starker Verband geworden, den man im öffentlich-parlamentarischen Raum wahrnimmt. Aber wir müssen weiter am Ball bleiben, um die gewährte Förderung, Lehrer und Geld, langfristig für unsere Schulen abzusichern. Lobbyarbeit bleibt unsere Kernaufgabe.

Die positive Wahrnehmung des WDA in der Politik erhalten.

Ganz persönlich kann ich sagen, dass ich auch ein bisschen wehmütig bin, dass diese Zeit nun zu Ende geht. Ich hätte das gerne noch weitergemacht. Wichtig ist mir noch zu sagen, dass dieses Ehrenamt auch ganz viel zurückgibt. Für mich ist diese Amtszeit von vielen Erfahrungszuwächsen geprägt gewesen. Hier im Verband ist man viel stärker gehalten, argumentativ zu überzeugen. Das ist anders als in der Wirtschaft, wo es zum Teil hierarchischer zugeht. Das ist schon für den eigenen Charakter gut. Außerdem ist der fortlaufende Umgang mit jungen Menschen zu nennen – die meisten sind ja jünger als ich. Das ist ein Faktor, der auch Vitalität stärkt, der meine Lebensfreude gestärkt hat. Insofern kann ich andere nur ermuntern, sich auch im Vorstand des WDA zu engagieren.

Herr Dr. Fornell, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Glen Wernecke im März 2022.

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