Dr. Volker Schult

Dr. Volker Schult leitete von 2009 bis 2017 die deutsche Abteilung des deutsch-türkischen Gymnasiums in Istanbul. Seit dem 1. Februar 2017 ist er in der Schulaufsicht in Rheinland-Pfalz und als Gutachter für das Auslandsschulwesen tätig.

Dr. Volker Schult, ehemals Schulleiter der deutschen Abteilung am Istanbul Lisesi

Interview mit Dr. Volker Schult – ehemals Schulleiter der deutschen Abteilung am Istanbul Lisesi

Was zeichnet die Absolventen des Istanbul Lisesi aus? Wie würden Sie ihr Profil beschreiben?
Von mehreren Tausend Bewerbern aus der ganzen Türkei können wir pro Jahr nur 180 neue Schüler aufnehmen. Was zählt, ist die Leistung – das zieht sich durch die ganze Schulzeit. Unsere Absolventen sind sehr intelligent, flei- ßig und engagiert. Aber nicht nur schulisch und fachlich, sondern auch persönlich: Sie sind flexibel, offen und aufgeschlossen.

Wie sehen die Werdegänge der Absolventen aus?
Als ich in der sechsten Klasse in den Schulbetrieb einstieg, bekam ich viele Dinge, wie Traditionen und unser Schwerpunkt ist mathematisch-naturwissenschaftlich. Viele Absolventen studieren Fächer wie Ingenieurwesen, Maschinenbau, Architektur oder Medizin, vor allem in Deutschland. Dort leben und arbeiten auch viele Absolventen; andere kehren nach dem Studium zurück und sind für Unternehmen wie Mercedes oder Siemens in der Türkei tätig. Dort sind zahlreiche Mitglieder der Führungsriege ehemalige Schüler unserer Schule.

Wie entwickelt sich die Attraktivität Deutschlands aus der Perspektive Ihrer Absolventen?
Als ich 2009 als Schulleiter nach Istanbul kam, gingen nur etwa fünf Prozent der Absolventen nach Deutschland, 2015 war es knapp ein Drittel, 2016 sogar mehr als die Hälfte. Natürlich werben wir an der Schule und beraten zu Studium und beruflichen Chancen in Deutschland. Aber auch die politische Entwicklung spielt eine große Rolle. Je geschlossener die Gesellschaft und Politik in der Türkei wird, desto attraktiver wird Deutschland als Studienstandort und Lebensmittelpunkt.

Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Aufgrund der politischen Lage droht, dass sich die zirkuläre Bewegung der Fachkräfte stärker zu einem Braindrain entwickelt. Das ist schade, denn vom Austausch profitieren beide Seiten, Deutschland und die Türkei, am meisten. Dafür steht auch das Istanbul Lisesi, die führende staatliche Schule in Istanbul, mit Bewerbern aus dem ganzen Land. Hier entsteht die Elite des Landes – und ein wachsender Teil dieser Elite wendet sich von ihrer Heimat ab.

Am Istanbul Lisesi gibt es ein Projekt mit der TU Kaiserlautern, das Schülern ein Früh- und Fernstudium ermöglicht. Wie ist die Zwischenbilanz?
Das Projekt hat sich gut entwickelt. In der Regel nehmen drei bis vier Schüler jedes Jahr daran teil, mal mehr, mal weniger. Es ist sehr zeitintensiv und aufwendig, sich während der Vorbereitung aufs Abitur bereits ins Studium zu stürzen. Aber es funktioniert hervorragend. Über Onlinepräsenzen nehmen die Schüler an den Lehrveranstaltungen teil; ihre Prüfungen werden eingescannt und in Kaiserlautern eingereicht. So können die Schüler schon vor dem Abi erste Prüfungen in Mathe und Physik ablegen, die später an der Hochschule in Deutschland angerechnet werden. Alle Teilnehmer des Projekts studieren in Deutschland an einer technischen Universität.

Hintergrund: Istanbul Lisesi

Das Istanbul Lisesi ist ein staatliches mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium. Nur türkische Kinder mit heraus- ragenden Leistungen werden zugelassen; sie kommen aus dem ganzen Land. Deutsch ist verpflichtende erste Fremdsprache, Fachunterricht z.B. in den MINT-Fächern findet ebenfalls auf Deutsch statt. Besonders begabte Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Istanbul Lisesi können parallel zum Abitur per Fernstudium die ersten beiden Semester an einer deutschen Universität absolvieren.

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