„Die erste große Reise ihres Lebens“

Den Bundestag besuchen, Honig ernten, Universitäten kennenlernen: Lehrerin Ulrike Lichtenau erläutert im WDA-Interview, was ihre Schüler in Deutschland erleben und welche Herausforderungen es beim deutsch-nicaraguanischen Schüleraustausch gibt.

Unterrichtet Deutsch und leitet das Pädagogische Qualitätsmanagement an der Deutschen Schule Managua: Ulrike Lichtenau (Foto: privat)

Seit wann führt die DS Managua einen Schüleraustausch durch?

Wir führen den Austausch seit 1993 durch. Für unsere Begegnungsschule ist das dreiwöchige Austauschprogramm eines unserer wichtigsten Angebote. Durch den Austausch haben unsere Schüler – die meisten sind Nicaraguaner – die einzigartige Möglichkeit, Deutschland, seine Menschen und seine Kultur kennenzulernen. Das Programm ist vielfältig – vom Bundestag über Theateraufführungen und Museen bis hin zum Diskobesuch. Anschließend verbringt die Gruppe zwei Wochen bei ihren Gastfamilien. Und überall können die Schüler ihre Deutschkenntnisse im Alltag auf die Probe stellen.

Wie kommt das Angebot an?

In diesem Jahr nehmen 22 Schüler am Austauschprogramm teil, in den Vorjahren war es ähnlich. Jeder Schüler hat einen Austauschpartner an unserer Partnerschule, der Stadtteilschule Stellingen in Hamburg, im Gegenzug kommt auch eine Gruppe nach Managua.

Welche Hürden gibt es bei der Umsetzung, etwa bei der Visumvergabe für die Schüler?

Die Visa sind zum Glück kein Problem, weil nicaraguanische Staatsbürger Deutschland drei Monate ohne Visum als Touristen besuchen dürfen. Für einige Familien ist es allerdings schwer, die Finanzierung zu stemmen. Den Flug und einen dreiwöchigen Aufenthalt in Deutschland können sich leider nicht alle leisten. In diesem Jahr haben wir jedoch Zuschüsse über das PASCH-Netzwerk beantragen können, um mit unserer Partnerschule im Gemeinschaftsprogramm einen ökologischen Schwerpunkt zu setzen. So findet eine gemeinsame Fahrt der gesamten deutsch-nicaraguanischen Austauschgruppe nach Tönning ans Wattenmeer statt. Weiterhin wird an unserer Partnerschule ein Bienenprojekt durchgeführt. Es wurden vier Bienenvölker angeschafft und mit der Honigproduktion Geld für den Austausch erwirtschaftet. In einem Workshop lernen die Schüler hier die Bedeutung der Biene für das Ökosystem kennen und dürfen selbst Honig ernten.

Gibt es weitere Herausforderungen im Schüleraustausch?

Neben den sprachlichen und kulturellen Anforderungen liegt eine besondere Herausforderung für die Schüler darin, wie die Austauschgruppe sich zusammensetzt. Bei uns fährt jährlich der zehnte Jahrgang nach Deutschland. Unsere Partnerschule besucht uns jedoch mit einer altersgemischten Gruppe von 12- bis 18-Jährigen. Da die Deutsche Schule Managua sehr familiär geprägt ist, weil sich die Schüler bereits aus dem Kindergarten kennen, funktioniert das Zusammenleben dennoch in den meisten Fällen wirklich gut. Auch Quereinsteiger können in der Regel problemlos integriert werden. Das sind Schüler, die meist erst in der fünften Klasse zu uns kommen und mit dem Deutschlernen beginnen; sie erhalten in der Regel auch ein Stipendium von der Deutschen Schule Managua.

Lehrerin Ulrike Lichtenau mit ihren Kollegen Heriberto Mayorga und Lester Membreño sowie Thilo Klingebiel (WDA), Dr. Gerd Frenzel (Thüringer Landesvertretung) und Albrecht Wolfmeyer (WDA) (v.r.)

Welchen Stellenwert hat der Austausch für die Schüler?

Viele aus der Gruppe waren zwar schon in den USA, weil sie dort auch Verwandte haben, aber der Schüleraustausch mit Deutschland ist schon etwas Besonderes. Für die meisten ist es das erste Mal, dass sie so lange so weit weg von zu Hause sind und dazu noch ohne Eltern. So ist dies oft die erste große Reise ihres Lebens, die sie mit ihren Mitschülern – vielfach die besten und ältesten Freunde – gemeinsam antreten.

Welche Rolle spielt Deutschland für die Schüler?

Durch den Besuch der Deutschen Auslandsschule wissen die Schüler natürlich einiges über Deutschland und fühlen sich dem Land auch verbunden. Zudem haben sie die Möglichkeit, fern jedes Unterrichtsszenarios ihre Deutschkenntnisse unter Beweis zu stellen und vor allem die Alltagskommunikation zu üben. Weiterhin ist es das Ziel vieler unserer Schüler, in Deutschland ein Studium aufzunehmen. Da bietet sich auch die Gelegenheit, ein wenig zu schnuppern und schon einmal einen Blick in eine Universität zu werfen.

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