Deutschland erfahren und begreifen

Politische Entdeckungstour in Berlin: Schüler aus Managua besuchen mit dem WDA den Bundestag, das ifa und die Thüringer Landesvertretung - dort lernen sie auch den Ministerpräsidenten kennen.

WDA-Geschäftsführer Thilo Klingebiel stellte den Jugendlichen aus Managua das weltweite Netzwerk vor, zu dem ihre Schule gehört.

Die Sensation war zum Greifen nah. Nicaraguas Fußball-Nationalmannschaft stand vor dem Einzug in die Gruppenphase der Qualifikation zur Weltmeisterschaft. Das Hinspiel gegen Jamaika hatte die Auswahl des kleinen Landes in Mittelamerika knapp gewonnen. Doch dann siegten die Jamaikaner im Rückspiel in Managua mit 2:0. Der Traum war geplatzt.

Austauschschüler erkunden Berlin und Hamburg

Auch die Austauschschüler der Deutschen Schule Managua drückten den Fußballern die Daumen – von Berlin aus. Für die 22 Jungen und Mädchen, alle zwischen 15 und 16 Jahre alt, hat sich zumindest ein kleiner Traum erfüllt: Sie waren im September auf Deutschlandreise. Begleitet wurden sie von ihren Lehrern Ulrike Lichtenau, Heriberto Mayorga und Lester Membreño. Drei Wochen lang erkundete die Gruppe die deutsche Hauptstadt und Hamburg. Die DS Managua führt den Schüleraustausch bereits seit vielen Jahren durch.

Auf dem Berlin-Programm der Besucher aus Managua standen auch ein Kennenlernen und gemeinsame Termine mit Thilo Klingebiel und Albrecht Wolfmeyer vom WDA. Das Treffen fand in der Galerie des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) in Berlin-Mitte statt. Das Institut und der WDA sind seit mehreren Jahren partnerschaftlich verbunden. Die WDA-Geschäftsstelle teilt sich auch eine Büroetage mit dem ifa, gleich über der Galerie.

Welche Farben und Formen haben verschiedene Gerüche? Annika Niemann vom ifa (l.) lud die Schüler aus Managua zu einem Kunst-Workshop ein.

„Eure Schule ist eine Sprach- und Kulturbotschaft“

„Eure Schule wurde in meinem Geburtsjahr gegründet“, verriet WDA-Geschäftsführer Klingebiel in seiner Begrüßung. „Aber wusstet Ihr, dass die erste Deutsche Auslandsschule schon über 400 Jahre alt ist?“. Klingebiel gab der Gruppe aus Managua einen Einblick in das globale Netzwerk, dem ihre Schule angehört: „Schulen wie die DS Managua sind Sprach- und Kulturbotschaften. Und sie sind wichtige Begegnungsstätten im Rahmen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik.“

„Das ifa setzt sich für den Kunst- und Kulturaustausch weltweit ein. Wie die Deutschen Auslandsschulen werden wir vom Auswärtigen Amt gefördert“, sagte Annika Niemann vom Institut für Auslandsbeziehungen. Ein Beispiel dafür sei die aktuelle Ausstellung in der Galerie. Mit klingenden Objekten, Video- und Geruchsinstallationen will die Ausstellung „zu einer Reise zum ‚Anderen‘ einladen“, erläuterte die Kunstvermittlerin. Niemann veranstaltete mit den Schülern einen Workshop: Welche Farben und Formen haben Gerüche? Mit welchen Worten lassen sie sich beschreiben? Die Schüler erkundeten die Galerie, in der verschiedene Duftnoten schwebten und sich vermischten. Sie malten auf, was sie rochen und diskutieren anschließend über ihre Eindrücke.

Die Lehrkräfte Lester Membreño, Ulrike Lichtenau und Heriberto Mayorga (Bildmitte oben) mit ihren Schülern auf dem Gendarmenmarkt.

Picknick auf dem Gendarmenmarkt

Nach dieser spannenden Erfahrung hatten sich die Schüler eine Pause verdient. Die Gruppe picknickte auf dem Gendarmenmarkt, der als schönster Patz Berlins gilt. Eingedeckt mit Brezeln, Kuchen und Kaffee ließen sich die Schüler und Lehrer auf den Stufen des von Schinkel erbauten Schauspielhauses nieder. Links von ihnen der französische, rechts der deutsche Dom, davor die Statue des „Dichterfürsten“ Friedrich Schiller – den der eine oder andere Schüler auch erkannte.

Dann ging es weiter zu einem gemeinsamen Termin mit dem WDA bei der Vertretung des Freistaats Thüringen beim Bund. Warum eigentlich Freistaat und nicht Land? Auf derlei Fragen rund um Politik, Kultur und Geschichte Deutschlands und Thüringens gab Dr. Gerd Frenzel Antwort. Der Referatsleiter ging auch auf die Entwicklung bis zum Zweiten Weltkrieg und die Zeit der deutschen Teilung danach ein. „Wie unvorstellbar die Teilung war, lässt sich heute kaum mehr vermitteln“, betonte Frenzel, „zumal für Jugendliche aus Nicaragua, die erst lange nach der Wende geboren sind.“

Thüringen-Kenner im Gespräch: Dr. Gerd Frenzel, Referatsleiter in der Thüringer Landesvertretung (l.) und Lehrer Heriberto Mayorga, der in Jena studiert hat.

Begrüßung durch Ministerpräsident Ramelow

Von der Dachterrasse der Thüringer Vertretung lässt sich ein wenig erahnen, was die Teilung für Berlin bedeutete. Im Osten ragt das Axel-Springer-Hochhaus in die Höhe, das entstand, als die Mauer gebaut wurde. Im Westen ist der Potsdamer Platz mit seinen modernen Glasfassaden zu sehen, die erst nach dem Mauerfall gebaut wurden. Weiter im Norden entdecken die Schüler die Reichstagskuppel und das Brandenburger Tor. „Das Brandenburger Tor war im Osten, der wenige Schritte entfernte Reichstag im Westen“, erklärte Frenzel. „Im Osten konnte man die U-Bahn zwar hören, aber aus- und einsteigen durfte man nicht.“

Frenzel war es wichtig, den Besuchern zu vermitteln, dass „Bayern nicht Deutschland ist und Thüringen mehr als Bratwürste zu bieten hat“. Vor allem habe die Bildung eine große Tradition in Thüringen: Früh im 19. Jahrhundert entstanden dort moderne Schulen, wurde der erste Kindergarten gegründet. Und: Thüringer Lehrpläne sind heute auch für rund 90 Prozent der Deutschen Auslandsschulen auf der Nordhalbkugel maßgeblich. Auch das aktuelle politische Thüringen konnte die Gruppe aus Managua in Person des Ministerpräsident kennenlernen: Bodo Ramelow begrüßte die Besucher und stand für gemeinsame Fotos zur Verfügung.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (M.) mit Thilo Klingebiel, Ulrike Lichtenau, Lester Membreño, Heriberto Mayorga und Schülern (v.l.)

Besuch im Bundestag

Vor allem um die internationale Politik ging es beim Besuch der Schülergruppe im Bundestag. Nachdem die Schüler mit ihren Lehrern die Reichstagskuppel besichtigt hatten, fand ein Gespräch mit dem SPD-Abgeordneten Niels Annen statt. Auch Thilo Klingebiel und Albrecht Wolfmeyer vom WDA-Team waren dabei.

Macht Ihr Job Spaß? „Ja!“ – Wie lange dauert Ihr Arbeitstag? „Manchmal von 7 Uhr bis Mitternacht.“ – Wie wird man Abgeordneter? „Man muss vor allem Mehrheiten gewinnen“ – Was halten Sie von Donald Trump? „…“. Annen, der Mitglied des SPD-Parteivorstands und außenpolitischer Sprecher de r Bundestagsfraktion ist, nahm sich viel Zeit, um die vielfältigen Fragen der Schüler zu beantworten – auf Deutsch und auf Spanisch. Der Abgeordnete zeigte sich als Kenner der politischen Situation in Nicaragua und der gesamten Region. Bei seiner Mittelamerika-Reise im vergangenen Jahr hatte er auch die Deutsche Schule Managua besucht.

„Eng verbunden mit Deutschland“

Nach dem Aufenthalt in Berlin reiste die Gruppe aus Managua weiter nach Hamburg. Dort, im Wahlkreis von Niels Annen, ist die Partnerschule der DS Managua zu Hause. Jeder Schüler aus Managua hat einen Partnerschüler an der Stadtteilschule Stellingen, der im Gegenzug zum Besuch nach Managua kommt.

„Der Schüleraustausch mit Deutschland ist schon etwas Besonderes“, sagt Lehrerin Ulrike Lichtenau. „Für viele aus der Gruppe ist dieser Schüleraustausch die erste große Reise ihres Lebens.“ Viele der Schüler hätten das Ziel, nach dem Abschluss in Deutschland ein Studium aufzunehmen. „Da bietet sich auch die Gelegenheit, ein wenig zu schnuppern und schon einmal einen Blick in eine Universität zu werfen.“

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